1989 - Jahr der Friedlichen Revolution

 

Die Berliner Mauer ist am 09. November 1989 gefallen. Dieses Datum ist Weltgeschichte. Doch was passierte zuvor? Und wie ging es weiter nach der Öffnung der Grenze zwischen den beiden deutschen Staaten? Friedensgebete, Montagsdemonstrationen, Massenflucht über Ungarn und die CSSR, das Zerbröseln der Machtstrukturen in SED und DDR, die ersten Anzeichen für die deutsche Wiedervereinigung - das Jahr 1989 ist voller spannender Ereignisse.

 

Hier ist die Chronik der Friedlichen Revolution von 1989 (Quelle: MDR.de)


Januar


03. Januar

Die Aufnahmelager in der BRD registrierten 1988 mehr als doppelt so viele Übersiedler aus der DDR wie im Vorjahr: 39.832. Die Zahl der deutsch stämmigen Aussiedler aus Ost-Staaten stieg von 78.523 auf 202.673.

 

15. Januar

Die DDR unterzeichnet das KSZE-Folgeabkommen, wonach jeder aus seinem eigenen Land ausreisen und ohne Folgen zurückkommen darf. der sowjetische Botschafter sagt später, die DDR-Führung habe dies nie erfüllen wollen.

 

 

 

18. Januar

Der SED-Generalsekretär und DDR-Staatsratsvorsitzende Erich Honecker verkündet: "Die Mauer wird in 50 und auch in 100 Jahren noch bestehen, wenn die dazu vorhandenen Gründe nicht beseitigt sind".

 

 

 

 


Februar


05. Februar

An der Berliner Mauer wird Chris Gueffroy beim Fluchtversuch erschossen. Die Schüsse auf den 20-jährigen und seinen Freund sind die letzten Todesschüsse an der innerdeutschen Grenze. Sie lösen international Proteste aus.

11. Februar

Zentralkomitee der Ungarischen sozialistischen Arbeiterpartei beschließt den Übergang zum Mehrparteiensystem und will auch den Stacheldraht an der Grenze zu Österreich durch normale Grenzsicherung ersetzen.

 

03. März

Ungarns Ministerpräsident Miklòs Nèmeth fordert bei seinem Antrittsbesuch in Moskau den Abzug der sowjetischen Truppen, insbesondere der Atomwaffen. KPdSU-Generalsekretär Michail Gorbatschow verspricht Nichteinmischung.

 

 

 


März


13. März

Auch während der Frühjahrsmesse in Leipzig wird nach dem montäglichen Friedensgebet in der Nikolaikirche demonstriert. Unter den hunderten Teilnehmern sind zahlreiche Ausreisewillige. Sie rufen "Wir wollen raus!".

 


April


28. April

Erich Mielke gibt die Aufhebung des Schießbefehls auch im Ministerium für Staatssicherheit bekannt. Er schimpft, dass in der Vergangenheit trotz der Schüsse Fluchtversuche gelangen, und hadert mit den "neuen Zeiten".

 

 

 

 


Mai


02. Mai

Ungarn beginnt mit dem Abbau des Stacheldrahts an der Grenze zu Österreich. DDR-Verteidigungsminister Heinz Keßler schreibt Honecker, dass dies nur Kosmetik sei und Ungarn die Grenze weiter sichern werden.

06. Mai

Rekord bei der Zahl der Übersiedler: Am 04. Mai kamen im Aufnahmelager Gießen 345, am 05. Mai 520 Übersiedler an. Laut Sozialministerium Hessen sind die Kapazitäten "restlos erschöpft". Normal seien 50-80 Personen am Tag.

 

07. Mai

In der "Aktuellen Kamera" verkündet Egon Krentz das eindrucksvolle Votum für die Kandidaten der Nationalen Front: 98,85% Ja- und "nur" 1,15% Gegenstimmen.

 

16. Mai

Planungschef Gerhard Schürer skizziert vor Wirtschaftskadern im SED-Politbüro ein Pleite-Szenario: Bei anhaltender monatlicher Westverschuldung in Höhe von 500 Mio. DM drohe der DDR 1991 der finanzielle Ruin.

 

 

31. Mai

US-Präsident George Bush besucht nach einem NATO-Gipfel die Bundesrepublik und ruft in Mainz unter Verweis auf den Abbau des Stacheldrahts an der Grenze Ungarn-Österreich: "Let Berlin be next!". Die Mauer müsse fallen.

 

 

 


Juni


08. Juni

Die DDR-Volkskammer wertet das Masaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking als "Niederschlagung einer Konterrevolution".

 

 

12. Juni

Ungarn darf als Mitglied der Genfer Flüchtlingskonvention Flüchtlinge nicht mehr in ihren Staat zurückschicken. Geheimdienstchef Pallagi sagte aber einer Stasi-Delegation, dass man DDR-Bürger weiter in die DDR ausweise.

 

 

13. Juni

KPdSU-Generalsekretär Michail Gorbatschow und Bundeskanzler Helmut Kohl unterzeichnen in Bonn eine "Gemeinsame Erklärung" über das Recht eines jeden Staates, das eigene politische und soziale System frei zu wählen.

 

 

 

 


Juli


07. Juli

Bukarest:

Die Sowjetunion wird sich nicht mehr in die Angelegenheiten der Staaten des Warschauer Pakts einmischen.

Berlin:

Die Polizei löst gewaltsam eine Demonstration gegen Wahlfälschung auf dem Alexanderplatz auf.

 

 

Mitte Juli

Die Presse in der Bundesrepublik berichtet, dass immer mehr DDR-Bürger über Ungarn nach Österreich flüchten. Viele würden zwar noch auf ungarischer Seite festgenommen, aber immer seltener an die DDR ausgeliefert.

 

Ende Juli

In mehreren diplomatischen Vertretungen der BRD in sozialistischen Staaten, darunter in Budapest und Berlin, halten sich inzwischen mehr als 150 ausreisewillige DDR-Bürger auf. Sie wollen so auf ihre Ausreise erzwingen.

 


August


05. August

Die DDR-Regierung nimmt im DDR-Fernsehen erstmals offiziell zu den Botschaftsflüchtlingen Stellung und bestätigt, dass sie ein Flüchtlingsproblem hat.

 

08. August

Die Ständige Vertretung in Ost-Berlin, besetzt von 130 DDR-Bürgern, wird geschlossen. BRD-Politiker warnen Ausreisewillige vor einer Flucht. In Ungarn warten Tausende DDR-Urlauber bei 35 Grad auf ihre Fluchtchance.

 

19. August

Beim Paneuropäischen Picknick bei Sopron stürmen über 600 DDR-Bürger von Ungarn nach Österreich. Später wurde bekannt, dass es ein Stillhalteabkommen auf ungarischer Seite gab, um die Reaktion der Sowjetunion zu testen.

 

21. August

Ein DDR-Bürger wird bei einem Fluchtversuch nach Österreich von einem ungarischen Grenzsoldaten erschossen.

 

24. August

Budapest: Mithilfe des Internationalen Roten Kreuzes werden über 100 Botschaftsflüchtlinge über Österreich in die BRD ausgeflogen.

 

 

25. August

Ungarns Premier Miklòs Nèmeth erklärt Bundeskanzler Helmut Kohl, dass sein Land den DDR-Flüchtlingen die freie Ausreise erlauben werde. Die BRD gewährt einen Kredit und verspricht Hilfe beim angestrebten EU-Beitritt.

 

 

26. August

Eine Initiativgruppe, zu der Markus Meckel und Ibrakim Böhme gehören, ruft zur Gründung einer sozialdemokratischen Partei in der DDR auf.

 

 

31. August

Außenminister Gyula Horn informiert den DDR-Kollegen Oskar Fischer und DDR-Chefplaner Günter Mittag, dass Ungarn die Flüchtlinge ab dem 11.09. ausreisen lassen werde, falls diese bis dahin keine Ausreisezusage erhielten.

 

 


September


04. September

In Leipzig demonstrieren etwa 1.200 Menschen nach dem Friedensgebet in der Nikolaikirche. Ausreisewillige fordern freie Fahrt nach Gießen. In Böhlen plädieren Oppositionelle für eine radikale sozialistische Erneuerung.

 

 

08. September

Nach Zusicherungen verlassen alle DDR-Bürger die Ständige Vertretung der BRD in Berlin. Sie wird danach für Besucher geschlossen. In Budapest können Stasi-Mitarbeiter keine Ausreisewilligen zur Rückreise bewegen.

 

10. September

Ungarn öffnet in der Nacht zum 11. September die Grenze zu Österreich. Zehntausende DDR-Bürger reisen in den nächsten Tagen und Wochen aus. Michail Gorbatschow später dazu: Sie haben in Moskau nicht um Erlaubnis gefragt.

 

11. September

Auch an diesem Montag gibt es wieder ein friedensgebet in der Leipziger Nikolaikirche. Die Polizei sperrt den Nikolaihof ab, um eine Demonstration zu verhindern. Zahlreiche Menschen werden festgenommen.


 

12. September

Das Politbüro berät,wie "das Loch Ungarn" zugemacht und "schwere Einbußen" an Bürgern verhindert werden können. Die Stasi soll die Antragsteller von Reisen nach und durch Ungarnüberprüfen und die Reise ggf. verbieten.

 

 

18. September

Nach dem Leipziger Friedensgebet rufen Demonstranten jetzt "Wir bleiben hier!" und nicht mehr "Wir wollen raus!". Zahlreiche Teilnehmer werden festgenommen. Künstler fordern öffentlich Demokratisierung und Reformen.

 

22. September

Erich Honecker weist die Ersten Sekretäre der SED-Bezirksleitungen an, dass "feindliche Aktionen im Keime erstickt" und "die Organisatoren der konterrevolutionären Tätigkeit isoliert" werden müssten.

 

25. September

Auf der Montagsdemonstration in Leipzig fordernmehrere Tausend Teilnehmer demokratische Reformen und die Zulassung des Neuen Forums. Die Ausreisewilligen unter den Demonstrantensind zur Minderheit geworden.

 

26. September

Die Stasi befiehlt ihren Bezirksverwaltungen, oppositionelle Gruppen durch die eingeschleusten inoffiziellen Mitarbeiter lahmzulegen. Erich Honecker ordnet für den 40. Jahrestag der DDR Führungsbereitschaft an.

 

 

27. September

Nach Honeckers  Befehl versetzt Minister Keßler die Nationale Volksarmee für den 6. bis 9. Oktober in Bereitschaft.

Prag: Die CSSR schließt eine ungarische Lösung für die 900 Botschaftsflüchtlinge aus.

 

30. September

Auf Druck der Sowjetunion hin lässt die DDR die Prager Botschaftsflüchtlinge ziehen. Bundesaussenminister Genscher fährt nach Prag und verkündet dies. Auf dem Botschaftsgelände campieren inzwischen Tausende DDR-Bürger.

 


Oktober


01. Oktober

In verriegelten Zügen reisen tausende Flüchtlinge aus Prag über die DDR in die BRD aus.

 

 

02.Oktober

Demo mit ca. 20.000 Teilnehmern. Die Losungen drehen sich um Freiheit, Hierbleiben und das Neue Forum. Erstmals wird "Wir sind das Volk!" gerufen - zur Polizei gerichtet. Es gibt Verletzte bei deren Eingreifen.

03. Oktober

Die DDR schließt faktisch ihre Grenzen, indem sie den visafreien Reiseverkehr in die CSSR aussetzt. Dies wird ab dem nächsten Tag auch auf den Transitverkehr nach Bulgarien und Rumänien ausgeweitet.

 

04. Oktober

Noch einmal dürfen etwa 7.000 DDR-Bürger, die erneut die BRD-Botschaft in Prag besetzt haben, ausreisen. In Dresden wollen rund 10.000 Demonstranten auf die Flüchtlingszüge aufspringen. Es kommt zu einer Straßenschlacht.

06. Oktober

Trotz Sicherheitsmaßnahmen kommt es in Berlin bei den Feiern zum 40. Jahrestag der DDR zu "Gorbi, hilf uns!"-Rufen. Nach Gesprächen mit Honecker sagte Gorbatschow sinngemäß "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben!".

 

07. Oktober

In Plauen versammeln sich am Nachmittag des "Republikgeburtstages" mindestens 10.000 Menschen. Sie widerstehen der Polizeigewalt. Dies gilt als erste Großdemo im Herbst `89. Fortan wird hier immer sonnabends demonstriert.

Am Abend des 40. Jahrestags der DDR demonstrieren Jugendliche vor dem Palast der Republik in Berlin. Es kommt - wie auch in anderen Städten und am nächsten Tag - zu schweren Übergriffen der Volkspolizei und Massenfestnahmen.

 

 

08. Oktober

Erich Honecker befiehlt den Beirksleitungen, "Krawalle" zu unterbinden und täglich zu berichten. Stasi-Chef Mielke ordnet volle Dienstbereitschaft an. In Dresden beginnt dennoch ein Dialog zwischen Opposition und SED.

 

 

09. Oktober

In Leipzig demonstrieren mindestens 70.000 Menschen friedlich. Die große Menge hält die Sicherheitsorgane vom Eingreifen ab.

Gewandhauskapellmeister Kurt Masur und andere Künstler rufen beide Seiten zur Besonnenheit auf.

 

 

11. Oktober

Nach zweitägigen Kontroversen erklärt das SED-Politbüro die Bereitschaft zum Dialog mit der Bevölkerung. Die Massenflucht habe auch eine Ursahe in der DDR. "Kronprinz" Egon Krentz estzt sich damit gegen Honecker durch.


 

16. Oktober

Über 100.000 Menschen nehmen an der Montagsdemonstration in Leipzig teil. Sie fordern die Zulassung des Neuen Forums, freie Wahlen, Reis-, Presse- und Meinungsfreiheit. Auch in anderen Städten wird wieder friedlich demonstriert.

 

18. Oktober

Das SED-Politbüro zwingt den 77-jährigen Erich Honecker zum Rücktritt - offiziell aus gesundheitlichen Gründen.

Egon Krenz wird SED-Generalsekretät. Er verspricht eine Politik der "Wende" und ein Reisegesetz.

 

23. Oktober

Die Montagsdemos haben immer mehr Zulauf. In Leipzig sind es 300.000 Menschen, Zehntausende in Magdeburg, Dresden, Schwerin, Zwickau, Halle, Strahlsund und Berlin sowie an den Vortagen in Plauen und Rostock.

 

26. Oktober

Laut Stasi demonstrieren allein an diesem Tag 160.000 Bürger. Vom 16. bis 22. Oktober waren es insgesamt 140.000 Teilnehmer auf 24 Demos. Vom 23. bis 30. Oktober werden es 540.000 Teilnehmer aund 145 Demos sein.

 

27. Oktober

Der DDR-Staatsrat verkündet eine Amnestie für Flüchtlinge und Demonstranten. Der Ministerrat lässt den pass- und visafreien Rerkehr in die CSSR ab 01. November wieder zu. Der Personalausweis soll wieder ausreichen.

 

 

 

 

31. Oktober

Führende Ökonomen empfehlen dem SED-Politbüro, der Bundesregierung die Mauer im Tausch für neue Kredite und wirtschaftliche Zusammenarbeit anzubieten. Der Lebensstandard müsse sonst gesenkt werden. Auch drohe die Pleite.

 


November


01. November

Gorbatschow lehnt wirtschaftliche Hilfe für die DDR wegen eigener Krise ab. Prag: Nach Wiedereröffnung der Grenze zur CSSR strömen wieder Ausreisewillige in die Botschaft. In der DDR finden wieder Demos mit Zehntausenden statt.

 

 

03. November

Auf Drängen der Regierung in Prag genehmigt das SED-Politbüro, dass DDR-Bürger direkt aus der CSSR in die BRD ausreisen dürfen, ohne noch einmal durch die DDR zu müssen. Die Zahl der Flüchtlinge steigt erneut sprunghaft.

 

04. November

Größte nichtstaatliche Kundgebung der DDR-Geschichte mit einer Million Menschen auf dem Alexanderplatz in Berlin. Die Losungen lauten u.a. "Deutsche Einheit", "Das Volk sind wir", "Eure Politik ist zum Davonlaufen".

 

 

06. November

Stasi-Chef ordnet die Vernichtung der Akten des Geheimdienstes an. Die SED-Führung stellt einen Reisegesetz-Entwurf vor - mit max. 30 Tagen Reisedauer pro Jahr. Versagungsgründe lassen Behörden viel Spielraum.

 

 

07. November

Die DDR-Regierung, der Ministerrat unter der Führung von Willi Stoph tritt geschlossen zurück. Sei bleibt aber kommissarisch im Amt.

Am nächsten Tag tritt auch das SED-Politbüro zurück. Egon Krenz wird aber einstimmig zum Generalsekretär wiedergewählt. Ebenso sieben bisherige Mitglieder. Neu aufgenommen wird u.a. Hans Modrow. Das Neue Forum wird zugelassen.

 

 

9. November

Günter Schabowski erklärt gegen 19 Uhr - schlecht vorbereitet - auf einer Pressekonferenz, jeder Bürger dürfe über die Grenzübergänge ausreisen ... ab sofort. Die Meldung in den Fernsehnachrichten mobilisiert Zehntausende.

Am späten Abend:

Die DDR-Grenzer haben auch an der Berliner Mauer keine Instruktionen, halen die Menschenmenge zunächst mit Passkontrollen und Abstempeln hin. Gegen 22:30 Uhr wird der erste Schlagbaum geöffnet - in der Bornholmer Straße.

In der Nacht:

Auch in der Nacht bleiben Befehle für Grenztruppen und Volkspolizei aus. Tausende Berliner aus Ost und West spazieren durchs Brandenburger Tor, tanzten auf der Mauer. Die ersten Mauerspechte klopfen Stücke aus dem Beton.

 

 

 


Nun sind wir ein Volk !